Was bedeutet verminderte Schuldfähigkeit?
Im deutschen Strafrecht spielt die Frage der Schuldfähigkeit eine ausschlaggebende Rolle. Die verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB ist eine besondere Situation, in der eine Person aufgrund bestimmter Umstände, wie beispielsweise aufgrund von Alkoholeinfluss, nur eingeschränkt in der Lage ist, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht entsprechend zu handeln. Die Regelung des § 21 StGB hat bedeutsame Auswirkungen auf die Strafzumessung.
Die rechtlichen Grundlagen der Schuldfähigkeit: §§ 20 und 21 StGB
- § 20 StGB (Schuldunfähigkeit): Laut § 20 StGB ist eine Person schuldunfähig, wenn sie aufgrund einer krankhaften seelischen Störung, einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Alkoholkonsum kann eine solche tiefgreifende Bewusstseinsstörung auslösen, wenn eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit nachgewiesen werden kann. In der Praxis wird bei einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von mehr als 3,0 Promille regelmäßig eine Schuldunfähigkeit angenommen. Bei Kapitalverbrechen, wie beispielsweise Tötungsdelikten, liegt diese Grenze bei 3,3 Promille.
- § 21 StGB (Verminderte Schuldfähigkeit): § 21 StGB bezieht sich auf die verminderte Schuldfähigkeit, die dann vorliegt, wenn eine Person aufgrund einer der in § 20 genannten Gründe (wie Alkoholkonsum) in ihrer Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, erheblich beeinträchtigt, aber nicht vollständig unfähig ist. Dies hat zur Folge, dass das Gericht die Strafe nach eigenem Ermessen mildern kann. Eine verminderte Schuldfähigkeit wird häufig bei einer BAK zwischen 2,0 und 3,0 Promille angenommen. Eine BAK unter 2,0 Promille führt hingegen in der Regel nicht zu einer relevanten Einschränkung der Schuldfähigkeit.
Individuelle Faktoren bei der Beurteilung der verminderten Schuldfähigkeit
Die Beurteilung der verminderten Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB hängt von zahlreichen individuellen Faktoren ab, da Alkoholkonsum nicht bei jedem Menschen die gleiche Wirkung zeigt. Zu den wichtigsten Faktoren gehören:
- Alkoholgewöhnung: Menschen, die regelmäßig Alkohol konsumieren, können trotz hoher Promillewerte noch handlungsfähig sein, während andere Personen bei geringeren Mengen bereits stark beeinträchtigt sind.
- Persönliche Konstitution: Faktoren wie Körpergewicht, Geschlecht und allgemeiner Gesundheitszustand beeinflussen die Wirkung von Alkohol.
- Tatumstände: Das Verhalten des Täters vor, während und nach der Tat kann Hinweise auf die tatsächliche Beeinträchtigung durch den Alkohol geben.
Die Bedeutung der Blutalkoholkonzentration (BAK) für die Schuldfähigkeit
Die BAK ist ein zentraler Indikator bei der Beurteilung der verminderten Schuldfähigkeit. In der Praxis werden folgende Richtwerte herangezogen:
- Unter 2,0 Promille: Regelmäßig keine Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit.
- 2,0 bis 3,0 Promille: Verminderte Schuldfähigkeit wird häufig angenommen.
- Über 3,0 Promille: Schuldunfähigkeit wird regelmäßig angenommen, es sei denn, es handelt sich um Tötungsdelikte (Grenze hier: 3,3 Promille).
Die Rolle der actio libera in causa für die Schuldfähigkeit
Die sogenannte actio libera in causa ist ein rechtlicher Grundsatz, der besagt, dass sich eine Person nicht auf ihre Schuldunfähigkeit oder verminderte Schuldfähigkeit berufen kann, wenn sie sich vorsätzlich oder fahrlässig in den Zustand der Bewusstseinsstörung versetzt hat, um eine Straftat zu begehen. In solchen Fällen wird die Verantwortlichkeit auf den Zeitpunkt vorverlagert, an dem sich die Person in den Rauschzustand versetzt hat.
Einfluss der verminderten Schuldfähigkeit auf die Strafzumessung
Wenn eine verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB vorliegt, kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB mildern. In der Praxis bedeutet dies:
- Die Mindeststrafe wird herabgesetzt.
- Freiheitsstrafen können unter bestimmten Umständen zur Bewährung ausgesetzt werden.
- Geldstrafen können niedriger ausfallen.
Psychologische und psychiatrische Begutachtung zur Beurteilung der verminderten Schuldfähigkeit
Um die verminderte Schuldfähigkeit aufgrund von Alkoholkonsum nachzuweisen, wird häufig ein Gutachten durch einen forensischen Psychologen oder Psychiater erstellt. Dieses Gutachten bewertet, ob und in welchem Umfang der Alkoholkonsum die Steuerungsfähigkeit der Person zum Tatzeitpunkt beeinflusst hat.